Montag, 27. Juli 2020

Unser Torhüter-Urgestein Sebastian Selke feierte in diesem Jahr bereits sein sage und schreibe 10-jähriges Dienstjubiläum beim FC Vaduz. Zu diesem speziellem Anlass gratulieren wir ihm ganz herzlich und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg und Freude bei unserem FCV.

 

Nach diesem Jahrzehnt mit Höhen und Tiefen hat «Selle» sicherlich einiges zu erzählen. Doch seht selbst:

 

 

Selle, wie bist du zum FC Vaduz gekommen?

Als ich Torhüter-Trainer im Nachwuchs von Borussia Mönchengladbach und gleichzeitig auch noch bei der Fortuna Köln war, unterbreitete mir Gladbach ein langfristiges Angebot. Dieses war aber leider nicht sehr prickelnd. Kurze Zeit später kam der Anruf aus dem Ländle. Beim Angebot von Vaduz passte alles und so entschieden sich meine Familie und ich dieses Abenteuer einzugehen. Kurze Zeit später sind wir dann nach Triesen ins Fürstentum Liechtenstein gezogen. Der FC Vaduz war für mich absolut unbekannt, zudem war ich zuvor auch noch nie in Liechtenstein. Wir lebten uns allerdings sehr schnell ein. Nach dem 1-jährigen Aufenthalt in Triesen wurde mir von Seiten des FC Vaduz ein Zweijahresvertrag angeboten. Aufgrund der Schwierigkeiten einer Aufenthaltsbewilligung im Fürstentum haben wir uns entschieden nach Lindau an den Bodensee zu ziehen. An den langen täglichen Arbeitsweg habe ich mich mittlerweile gewöhnt.

 

Wie gefällt es dir beim FC Vaduz nach so vielen Jahren? Was gefällt dir besonders am Verein?

Mir gefällt es immer noch ausserordentlich gut beim FC Vaduz, zumal es ja auch meine erste Profistation als Torhüter-Trainer ist. Meiner Meinung nach ist der FCV ein kleiner, toporganisierter Verein mit grossen Ambitionen, in welchem aber auch das soziale Umfeld perfekt zusammenpasst. Persönlich schätze ich auch die vielen Kontakte, welche sich über die Jahre hinweg entwickelt haben. Ich kann abschliessend definitiv sagen, dass ich jedes Mal mit einem Lächeln nach Vaduz komme.

 

Wie hat sich der FC Vaduz deiner Meinung nach in all den Jahren verändert? Wo steht der Verein heute?

Das Fussballgeschäft ist ein sehr lebendiger Markt, weshalb es immer wieder Veränderungen gibt. Aktuell darf ich klar die aktuelle Saison 2019/20 sowie die vergangene Europa League Kampagne als sportliche Erfolge einordnen. Dies bestätigt wiederum, dass die Arbeit des gesamten Trainerteams Früchte trägt. Für mich ist es langfristig auch ein Ziel immer im vorderen Tabellenbereich der Challenge League mitzuspielen. Ich finde, dass man mit kleinen Möglichkeiten auch in der Raiffeisen Super League mitspielen könnte. Dies haben wir ja in unseren vergangenen Super League Saisons auch schon aufgezeigt. Zudem sehe ich den FCV nicht als Entwicklungsverein. Klar fungieren wir auch als Sprungbrett für junge Talent, die sich als Profis im Schweizer Fussball durchsetzen wollen. Dennoch hat der FCV gewisse Ambitionen. Dies haben wir mit den Auftritten in der diesjährigen Europa League Kampagne auch unterstrichen. Meiner Meinung wird der FCV gegen aussen oft falsch dargestellt.

 

Welches sind deine schönsten/bittersten Erlebnisse beim FC Vaduz?

Einerseits ist der Verlauf der aktuellen Saison sehr befriedigend. Nach unserem schlechten Saisonstart konnten wir uns fangen und seit dem Re-Start sehr gute Resultate erzielen. Natürlich darf da auch nicht unsere vergangene, grandiose Europa League Kampagne fehlen. Allgemein bleibt mir das Europa League Abenteuer mit dem FC Vaduz in bester Erinnerung. Als Spieler von Köln konnte ich leider nie an europäischen Wettbewerben teilnehmen. Damals kämpften wir mehrmals um den Abstieg aus der Bundesliga. Darum freut es mich umso mehr, dass ich diese Erfahrungen nun als Teil des FC Vaduz nachholen durfte. Ganz besonders blieb mir mein allererstes Europa League Qualifikationsspiel in Erinnerung, damals gegen den schottischen Vertreter Fallkirk. Nach unserer 0:1-Auswärtsniederlage mussten wir zuhause unbedingt gewinnen, um in die nächste Runde einziehen zu können. Das Heimspiel war sehr brisant und es ging hin und her. Schlussendlich erzielte Franz (aktueller Sportchef FCV) in der 105. Minute der Nachspielzeit das 2:0 und schoss uns somit in die nächste Phase. Die Intensität kann man sicherlich mit dem diesjährigen Fehérvar-Spiel vergleichen; auch dort erlöste uns «Couly» erst in der Verlängerung. Auch zwei Jahre später spielte sich eine ähnliche Situation ab. Nach einer 0:2 Heimniederlage gegen die serbische Mannschaft Vojvodina Novi Sad konnten wir im Rückspiel einen 3:1-Auswärtssieg einfahren. Diese Comebacks sind immer wieder emotionale Achterbahnfahrten, die jeder Fussballer oder Trainer liebt. Für mich ist die Europa League schlichtweg das Highlight zum Saisonstart. Leider ist unser Kader nicht sehr breit aufgestellt, sodass wir in allen Wettbewerben Bestleistungen abrufen können. Europa League zu spielen ist aber durchaus attraktiv, nicht nur für die einzelnen Spieler, sondern auch für unsere treuen Fans. Zudem können wir so den Verein gegen aussen präsentieren und auch finanzielle Erträge generieren.

 

Mein bitterster Moment war sicherlich der Abstieg aus der Super League in der Saison 2016/17. Meiner Meinung nach hätten wir mit ein bisschen mehr Matchglück, den ein oder anderen Punkt im Abstiegskampf ergattern können, um schlussendlich die Klasse in der Super League zu halten.

 

Warum bist du Torhüter geworden?

Angefangen habe ich als Feldspieler des niedersächsischen Sport-Clubs Uelzen. Nachdem unser Torwart, ein guter Kumpel von mir, den Verein wechselte, ging ich ins Tor. Von da an blieb ich auf dieser Position, welche mich schon zu Zeiten als Feldspieler gereizt hatte.

 

Welcher war dein Torhüter Vorbild in deiner aktiven Karriere?

Meine Vorbilder waren Ulrich Stein und Bodo Illgner. Stein war unteranderem bei der Arminia Bielefeld, dem Hamburger SV und der Eintracht aus Frankfurt unter Vertrag. Illgner dagegen wurde 1990 mit Deutschland Weltmeister und spielte eine Zeit lang bei den Galaktischen aus Madrid.

 

Was sind genau deine Aufgaben als Torhüter-Trainer beim FC Vaduz?

Ich bin ein vollwertiges Staffmitglied der 1. Mannschaft sowie zuständig für die Trainingsgestaltung unserer Torhüter. Die Trainings werden von mir jeweils eigenhändig vorbereitet und dann täglich mit Cheftrainer Mario Frick besprochen. Ein grosses Lob muss ich aber auch allen Torhütern aussprechen, welche ich in Vaduz bereits trainiert habe. Es macht Spass mit topmotivierten Goalies zu arbeiten. Aktuell trainiere ich Benjamin, Justin und «Gionfi» aus der 1. Mannschaft sowie zwischendurch auch die Torhüter der 2. Mannschaft.

 

Welche Torhüter fallen dir spontan ein, die du bereits trainiert hast?

Steven Deana – ehemaliger Torhüter von Vaduz, Sion, Aarau, Wil und aktuell beim MSV Duisburg unter Vertrag. Ich finde er ist physisch topfit und hoffe, dass er seine Chance in Duisburg nutzen kann. Auch Guillaume Faivre, aktueller Torhüter des FC Thun, habe ich trainiert. Bei ihm kann ich sagen, dass ich es bewundere, wie lange er bereits auf diesem Topniveau spielt. Mit dem langjährigen FCV-Captain Peter Jehle habe ich die meiste Zeit verbracht. Rückblickend war dies eine wunderschöne Zeit, denn Peter hat stets einen enormen Ehrgeiz in den Trainings an den Tag gelegt. Dies hat unsere Zusammenarbeit zusätzlich gestärkt. Zusammenfassend kann ich über alle Torhüter, welche ich trainiere oder bereits trainiert habe, nur Positives abgewinnen. Die Chemie zwischen den Torhütern und mir hat immer gestimmt. Darüber bin ich sehr froh.

 

Mit welchen Torhütern oder Spielern hast du heute noch immer Kontakt?

Mit Steven Deana bin ich im ständigen Kontakt, auch möchte ich ihn nach der Corona Krise in Duisburg besuchen gehen. Aber auch beispielsweise mit Ex-FCV-Verteidiger Simone Grippo, welcher aktuell bei Real Oviedo in der zweithöchsten spanischen Liga unter Vertrag steht, bin ich immer wieder im Kommunikationsaustausch. Ich habe ihn bereits einmal mit meiner Familie in Spanien besucht. Dass diese Freundschaften über die Jahre hinweg bestehen ist mir sehr wichtig.

 

Wer ist deiner Meinung nach der beste Torhüter der Welt? Warum?

Schwierige Frage! Ich finde, dass Jan Oblak (Athletico Madrid), Allison Becker (FC Liverpool), Manuel Neuer (FC Bayern München) und Marc-André Ter Stegen (FC Barcelona) grossartige Torhüter sind. Doch auch ein Yann Sommer (Borussia Mönchengladbach) hat schon mehrere grosse Turniere gespielt und ist daher ein starker Torhüter. Enorm wichtig erscheint es mir, dass die jungen aufstrebenden Torhüter sehen, dass den Erfahrenen auch Fehler passieren können. Zusätzlich ist die Entwicklung im athletischen Bereich fortgeschritten und auch die mentalen Fähigkeiten werden höher eingestuft als früher.

 

Was macht einen guten Torhüter aus?

Den perfekten Torhüter gibt es meiner Meinung nicht. Ter Stegen zum Beispiel ist nicht sehr gross, aber bereits im zarten Alter von 17 Jahren wusste ich, dass aus ihm ein Grosser werden kann. Zu seinem Vorteil setzte dann der heutige BVB- und ehemalige Gladbach-Trainer Lucien Favre auf ihn und so konnte er sich mit sehr guten Leistungen auf die Spickzettel mehrerer Weltklassevereine spielen. Man benötigt eben in gewissen Situationen auch eine grosse Portion an Glück.

 

Sind Torhüter verrücktere Typen als Spieler?

Definitiv! Ein Torhüter muss verrückt sein, um sich in Schüsse aus wenigen Metern zu werfen. Aber irgendwie sind alle Fussballspieler doch verrückte Typen.

 

Schaust du dir Dinge von grossen Torhüter ab?

Nein, abgucken in diesem Sinne nicht. Manchmal vergleiche ich anhand von Videosequenzen einzelne Spielsituationen, mehr aber auch nicht. Klar, interessiert es mich wie andere Torhüter trainieren. Wichtig ist es jedoch auf die jeweiligen eigenen Torhüter einzugehen und das Training anhand ihrer Fähigkeiten zu gestalten. Ich persönlich schaue sehr auf die Athletik im Training, andere wiederum legen den Schwerpunkt in anderen Bereichen. Hier in Vaduz können wir zudem von der hervorragenden Torhüterausbildung in der Schweiz profitieren.

 

Wie hat sich das Torhütertraining in all den Jahren verändert?

Ich wende in regelmässigen Abständen immer wieder die gleichen Trainingsmethoden an. Natürlich gibt es heute mehr Möglichkeiten, Übungen zu perfektionieren. Diese nehme ich dann selbstredend ebenfalls gerne in Anspruch.

 

Entweder oder-Fragen:

Buffon oder Casillas?

Messi oder Ronaldo?

FC Vaduz oder SK Lüneburg (Heimatverein von Sebastian Selke)?

Weltmeisterschaft oder Champions League?

Bundesliga oder Premier League?

Eigenes Tor der Mannschaft oder gehaltener Elfmeter?

VAR oder Schiedsrichter?

 

Vielen Dank für das Gespräch «Selle» und weiterhin alles Gute! Hopp Vadoz!